Wolfgang StroblNiemand darf wegen seines Verkehrsmittels diskriminiert werden
steht leider nicht im GG.
Gefährd. d. Straßenverkehrs
lautet am 2010-06-22 der Aushang der achten Strafkammer des Landgerichtes Augsburg. Im August 2008 hatte eine Autofahrerin einen Radfahrer verfolgt, vorsätzlich überrollt und so fast getötet, wie man diversen Berichten anläßlich dieses Strafprozesses entnehmen kann (1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 Bilder). Seltsamerweise scheint es keinen einzigen Artikel oder Kommentar aus 2008 zu geben.
Man erfährt
Die Autofahrerin fuhr die schmale Uferstraße entlang, vorbei an anderen parkenden Autos.
, wahrscheinlich Richtung Riederau (Norden).
musste anhalten, weil vor ihr ein Ehepaar mit Hund ins Auto einsteigen wollte.
Plötzlich
oder In diesem Augenblick
kam ihr ein Radfahrer entgegen und zwängte sich zwischen Auto und Böschung vorbei
.
Dieser fuhr den Außenspiegel vom Auto
ab oder beschädigt ihn leicht
(Schaden: rund 200 Euro
), und zwar mit seinem Lenker
oder mit seinem Fuß
, was sie aber nur annahm, denn sie hatte den Moment der Beschädigung nicht selbst beobachtet
. Ein Bild zeigt, daß der Spiegel nur eingeklappt ist.
Er beleidigte sie noch mittels Stinkefinger und und fuhr davon
bzw. flüchtete
.
Sie wendete, wobei sie den Radfahrer eine Weile aus den Augen verloren
hatte, und überholte den Radfahrer. Der Radfahrer könnte ein anderer gewesen sein, denn Der Radfahrer, der mit seinem Fuß in den Spiegel des A-Klassen-Mercedes trat, sei nämlich anders angezogen gewesen
.
Eine der Töchter sei ausgestiegen und hätte dem Mann Zeichen gemacht, anzuhalten.
Weil der weiter fuhr, verfolgte sie ihn auf einem für Autos gesperrten Kiesweg
ohne Rücksicht auf Spaziergänger, Kinder und andere Radler
und brachte sie in akute Gefahr
. Ein Zeuge sagte:
, ein anderer meinte, Ich konnte meine Freundin gerade noch wegreißen, bevor das Auto kam.
Eine andere Bewertung lautet Meine elfjährige Tochter hat dem Auto gerade noch ausweichen können.
Mit teils 50 Kilometern pro Stunde schießt sie durch Trauben von Spaziergängern, die dem Wagen gerade noch ausweichen können. Über Gehwege, über Bordsteine, Schotterstraßen — ganz egal.
Nach 1800 Metern endet die Amokfahrt
oder minutenlangen Verfolgungsfahrt
. Zeugen schilderten den
. aufheulenden Motor
und sagten aus, von einer Bremsung hätten sie nichts bemerkt.Mit Tempo 40
auf einem für Autos gesperrten Kiesweg
oder auf dem Fußweg
oder auf einem Radweg
vor der Wallfahrtskirche Sankt Alban
rammte von hinten und überrollte sie den Mountainbikefahrer, genau zwischen den beiden Vorderreifen.
oder sie beschleunigt und überrollt den Mann in blinder Wut.
. Das dürfte gleich hinterm Steg gewesen sein.
sie hat ihrem schwerstverletzten Opfer nicht geholfen
Einer der Zeugen, von Beruf Zahnarzt, schilderte vor Gericht, wie er damals regelrecht zusammengezuckt sei, als er neben dem blutverschmierten Opfer Dagmar O. sagen hörte:
, wobei sie Das macht der nie wieder.
seinen mit Blut überströmten Kopf dabei sogar in die Hand genommen haben
soll. Dann schlägt sie dem Kollegen, der erste Hilfe leistet, auch noch vor, den blutüberströmten Michael S. mit Globoli zu behandeln…
Der Radfahrer überlebt mit Glück und kann sich an den Vorfall nicht erinnern.
Sie handelte aus Rache — laut Staatsanwältin sind dies ‚niedere Beweggründe‘.
Ein Gutachten entlastet sie: Demnach sei die 47-Jährige nur eingeschränkt steuerungsfähig gewesen.
, Depressionen aufgrund ihrer familiären Situation, Medikamente… Anscheinend habe sie die Aggression gegen ihren Ehemann auf den Radfahrer übertragen, den sie an einem Sonntag im August 2008 umfuhr.
Sie habe aber jederzeit die Folgen ihres Handelns erkennen können.
Kurz gesagt: Der Radfahrer tat etwas, woraufhin die Autofahrerin über Minuten die Verfolgung aufnahm und ihn überfuhr. Man erfährt nicht, ob ein Verfahren gegen den Radfahrer eröffnet oder eingestellt wurde, anscheinend hat es keines gegeben. Auch scheint das Verhalten des Radfahrers im Verfahren gegen die Autofahrerin keine Rolle gespielt zu haben.
Ebenfalls erfährt man nicht, daß die Autofahrerin dem Radfahrer keinen oder wenig Platz ließ. Wie man auf den Satellitenbildern sehen kann, stehen parkende Autos ungefähr zur Hälfte in der Pampa, denn sonst käme auf der Fahrbahn kein Auto mehr vorbei. Da die Madame unbestritten neben rechts parkenden Autos fuhr, als sie ihren Spiegel verlor, ließ sie kaum noch weiteren Platz. Somit log Madame wahrscheinlich mit der Behauptung einer mutwilligen Beschädigung durch den Radfahrer. Umgekehrt wäre übrigens eine Unfallflucht mangels Unfall gar nicht möglich gewesen.
Man beachte die Wertungen.
Vom Radler
ist die Rede, und vom Radlrambo
.
Das vorsätzliche Überfahren wird mit Unfall
verharmlost.
Zwar wird die angebliche Beschädigung des Spiegels und der Stinkefinger thematisiert und zum „Grund“ gemacht, nicht aber wird gefragt, ob wiederum dem etwas voraus ging.
Es war ein Ausraster, für den es keine Entschuldigung gibt.
, ebenso eine Verharmlosung angesichts der Tatsache, das sie wendete, den Radfahrer erst überholte, ihn dann zwei Minuten lang verfolgte und dabei Leute gefährdete. Ein ziemlich aufwendiger Ausraster.
Zur anschließenden Arbeit der Polizei:
Ob die Angeklagte vor der Kollision noch kurz gebremst hat, war im Prozess nicht mehr zu klären — auf Grund der schlampig durchgeführten Unfallaufnahme durch die örtliche Polizeiinspektion Dießen.
Weder wird das Auto beschlagnahmt, immerhin ein Tatwerkzeug,
noch wird die Madame festgenommen,
stattdessen hatte die Polizei ihr noch am Sonntag erlaubt, mit Wagen und Kindern die Heimreise anzutreten.
, immerhin über 270 km,
Vielleicht auch, weil in den Augen der den Unfall aufnehmenden zwei Polizisten zunächst der Radlrambo der eigentliche Übeltäter war.
Ob Alkohol im Spiel war, wurde nur bei dem schwer verletzten Opfer untersucht — nicht aber bei der Autofahrerin.
Warum wurde die Kripo nicht eingeschaltet, warum kein Gutachter? Die Staatsanwältin klagte gestern jedenfalls:
Es ist alles getan worden, um die vorhandenen Spuren zu verwischen!
Weder die Kripo noch ein Kriseninterventionsteam wurden eingeschaltet. Beides ein ganz gewöhnliches Vorgehen bei Unfällen dieser Art.
Der Zeuge auf dem Steg sieht sich die Unfallstelle an und wundert sich, dass die Polizei — für sein Empfinden — gar keine Spuren sichert. Er holt seine Kamera und dokumentiert alles.
Das waren Beweismittel, die die Polizei leider nicht vorlegen konnte.
Anstatt nach dem schweren Unfall mit seinen schrecklichen Folgen die Spurensicherung zu alarmieren, tappten Laien mit Sandalen im Blut des Opfers herum.
Eine Wasserwachtlerin half sogar beim Vermessen der Anhaltestrecke. Das geht aus einem Foto hervor.
Erst im Oktober, rund zwei Monate nach dem Unfall, wurden Kriminalpolizei und die Augsburger Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Zu spät, um am Mercedes der Angeklagten noch Unfallspuren eindeutig zuordnen zu können, wie der Münchner Unfallanalytiker Markus Schönpflug beklagte.
Kraftfahrzeugbonus beim Urteil? Zum Beispiel Vergewaltigung im Rausch (verminderte Schuldfähigkeit), ähnliche Freiheitsstrafe, die noch dazu als moderates Strafmaß bezeichnet wird. Oder 6 ½ Jahre für Vergewaltigung. Oder 7 Jahre für versuchte Vergewaltigung und Würgen. Das sind Taten ohne lebenslange körperliche Folgen beim Opfer. Ein Kommentar bringt es auf den Punkt: A weia, wenn der Fahrradfahrer getötet worden wäre, hätte sicher niemand erfahren, warum sie auf ihn draufgehalten hat und sie wäre mit 2 Jahren auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung weggekommen. Wer weiß wie oft es so rum läuft.
Kommentare der Leserschaft, auch abseits der Artikel (1 2 3 4), sprechen dem Radfahrer eine Mitschuld zu, während die Autofahrerin entlastet sein soll, weil sie ihn ja nur zur Rede stellen oder den Schaden ersetzt haben will. Dazu wird man sowohl zum „Auch-Radfahrer“, als auch zum „Auch-Zustimmer“: „Der Beinahe-Mord war übertrieben, aber der Radfahrer hat ja…“. Dazu wird beim Radfahrer auch die Sippenhaftung angewendet und gleichzeitig an (den) Radfahrer höhere Maßstäbe angelegt als an die Autofahrer(in). Wer in Antworten die Tat konsequent als verwerflich ansieht, der hat in den Augen der Relativierer nichts gegen Sachbeschädigung. So wird auch dann noch kommentiert, als längst in Artikeln die Schuldfrage des Radfahrers in Zweifel gezogen wird, worauf in manchem Kommentar hingewiesen wurde. Nur wenige Kommentare (1 2 3) betreiben kein Victim Blaiming.
Angesichts der häufigkeit solcher Kommentare kann ich nur zustimmen: Unglaublich so etwas. Da muss man als Radfahrer ja schon froh sein, wenn man nur von hinten angehupt und nicht gleich über den Haufen gefahren wird, weil man mit dem Rennrad die Landstraße und nicht den Radweg benutzt.
Bei einer Gesamtschau muß man sich fragen, wobei denn nicht Abneigungen gegen Radfahrer eine Rolle gespielt haben. Eine Autofahrerin, die aufgrund eines nichtigen Anlasses gleich selbst endgültig tätig wird. Eine Polizei, die Ermittlungen verhindert, weil sie den Schuldigen ja schon hat und das auch den Medien gegenüber verbreitet. Medien, die den Radl-Rambo
gerne übernehmen und kein bißchen Nachfragen. Ein Milde scheinendes Urteil. Und am Schluß die Leser, für die das Opfer der Täter ist. Was wäre wohl im umgekehrten Fall geschehen, wenns Radfahrerin gegen Autofahrer gewesen wäre, oder bei Fußgänger statt Radfahrer? Ob ebenso gemeckert und mildbestraft würde? Wenn es schon bei einer derart brutalen Tat so läuft, was kann man dann bei alltäglichen Fällen erwarten…