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Widerspruch Alexanderstraße

Am 2007-03-16 bekam ich dieses Urteil, Aktenzeichen 7 A 2731/04.

hat das Verwaltungsgericht Oldenburg – 7. Kammer – auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Schrimpf als Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO) für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

  2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.

Tatbestand

1. Die Beklagte stellt nach ihren eigenen Angaben vor 1981 die Zeichen 237, 240 und 241 zu § 41 StVO (heutige Fassung) auf beiden Seiten und in voller Länge der Alexanderstraße auf. Der Kläger ist seit dem 15. Juni 2000 mit seiner heutigen Wohnanschrift Harlinger Straße gemeldet. Die Harlinger Straße endet etwa 400 m östlich vor der Alexanderstraße; sie ist südlich über die Ehnern-/Widukindstraße und nördlich über die Ehnern-/Frakenstraße mit der Alexanderstraße verbunden.

Der Kläger erhob am 24. April 2003 einen „Widerspruch Alexanderstraße“: Er fahre seit fast einem Jahr regelmäßig mit dem Fahrrad über die Alexanderstraße stadtauswärts zur Arbeit. Daher sei für ihn nicht verständlich, dass auf dieser Strecke fast überall die Pflicht zur Benutung des Radwegs angeordnet sei.

Die Beklagte teilte dem Kläger unter dem 8. Mai 2003 mit, dass sie seinem „Widerspruch gegen die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht auf der nordöstlichen Straßenseite der Alexanderestraße im Teilabschnitt zwischen der Bürgerfelder Straße und der Westersteder Straße“ nicht abhelfen könne, da diese Anordnung aufgrund der täglichen Belastung der Alexanderstraße mit zwischen 15.000 und 23.000 Kraftfahrzeugen (erheblicher Anteil von Lastkraftwagen) sachlich geboten und daher nicht zu beanstanden sei.

Die Bezirksregierung Weser-Ems wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2004 als unzulässig zurück, da die Widersrpuchsfrist für die Anfechtung einer neuen Verkehrsregelung von einem Jahr mittlerweile abgelaufen sei. Die Stadt Oldenburg habe die Benutzung des Radweges auf beiden Seiten und in voller Länge der Alexanderstraße im Jahre 1990 angeordnet.

Die Kläger hat am 28. Juni 2004 unter Vertiefung und Ergänzung seines bisherigen Vorbringens Klage erhoben und beantragt,

unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 3. Juni 2003 die Anordnung der Pflicht zur Benutzung des Radwegs in der Alexanderstraße zwischen Bürgerfelder Straße und Westersteder Straße (beidseitig) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt unter Vertiefung und Ergänzung der Gründe des Widerspruchsbescheides,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage kann keinen Erfolg haben.

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechnung ist im Ergebnis geklärt, dass die Verwaltungsgerichte zu prüfen haben, ob die Behörde den Widerspruch im Widerspruchsbescheid zu Recht als unzulässig verworfen hat (s. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1966 – VI C 128.64 –, Buchholz 310, § 79 VwGO Nr. 4). Stellt sich dabei heraus, dass der Widerspruch unzulässig war und die Verwaltung sich darauf zu Recht beruft, darf das Verwaltungsgericht eine Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheides und ggfs. über das auf Ansprüche gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO gerichtete Klagebegehren wegen der Unanfechtbarkeit des Ausgangsbescheides nicht treffen (s. Kopp/Schneke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2005, Rz.: 6 ff. vor § 68).

Die Klage ist unzulässig. Es fehlt her an der ordnungsgemäßen Durchführung des Vorverfahrens. Das Vorverfahren ist eine Prozessvoraussetzung (Sachurteilsvoraussetzung – s. § 77 Abs. 2 VwGO: „Voraussetzung der verwaltungsgerichtiglichen Klage“) und ist deshalb bereits im Rahmen der Zulässigkeit der Klage zu prüfen. Es genügt nicht, dass – wie hier – überhaupt ein Vorverfahren stattgefunden hat. Erforderlich ist vielmehr, dass das Vorverfahren ordnungsgemäß, d.h. entsprechend den Anforderungen von § 68 ff. VwGO über die Ergebung des Widerspruchs, durchgeführt wurde. Insbesondere muss der Widerspruch fristgemäß (§ 70 Abs. 1 VwGO) erhoben werden. Daran fehlt es hier hinsichtlich des Widerspruchs des Klägers vom 24. April 2003. Der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 3. Juni 2004 nimmt zu Recht an, dass der Kläger nicht fristgerecht Widerspruchs gegen die Anordnung der Benutzung des Radweges an der Alexanderstraße zwischen Bürgerfelder Straße und Westersteder Straße erhoeben hat. Zu Recht nimmt der Widerspruchsbescheid an, dass die Widerspruchsfrist bei Verkehrszeichen ein Jahr beträgt. Die Jahresfrist beginnt indes nicht bereits für jedermann mit der Aufstellung des Verkehrszeichens zu laufen, sondern erst dann, wenn der Verkehrsteilnehmer von der Regelung betroffen ist (OVG Hamburg, Urteil vom 4. November 2002 – 3 Bf 23/02 –, NordÖR 2003, 307). Diese Betroffenheit entsteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 21. August 2003 – 3 C 15.03 – bei Bay Vbl. 2004, 567) dann, wenn ein Verkehrsteilnehmer Adressat eines belastendes (beschwerenden) Verwaltungsakts in Form eines lverkehrsbehördlich angeordneten Ge- oder Verbots ist. Ein Verkehrsteilnehmer wird dann zum Adressat eines Verkehrszeichens, das rechtlich als Dauerverwaltungsakt bzw. Allgemeinverfügung zu qualifizieren ist, wenn er durch einmaliges bzw. mehrmaliges Befahren der fraglichen Straße in rechtlich beachtlicher Wise belastet worden ist. Dies war beim Kläger nach Überzeugung des Gerichts vor dem 23. April 2002 der Fall. Der Kläger nahm seine Unterkunft Mitte des Jahres 2000 im unmittelbaren Einzugsbereich der Alexanderstraße, mit der Folge, dass zwingend anzunehmen ist, er sei von den hier angefochtenen Ge- und Verboten auch im nordwestlichen Bereich der Alexanderstraße als regelmäßiger Radfahrer in dieser Zeit erstmals betroffen worden. Es kann daher dahinstehen, welche Rechtsfolge es für bereits vor 1998 aufgestellt Zeichen 237, 240 und 241 hat, dass § 2 Abs. 4 S. 2 StVO, wonach Radfahrer Radwege benutzen müssen, wenn sie jeweilige Fahrtrichtung mit Zeichen 237, 240 oder 241 gekennzeichnet ist, am 1. Oktober 1998 in Kraft getreten ist. Selbst wenn man animmt, dass die Zeichen Nummer 237, 240 und 241 mit diesem neuen Regelungsgehalt (erneut) am 1. Oktober 1998 bekannt gegeben worden sind, so wäre die Jahresfrist für einen Widerspruch im Falle des Klägers vor dessen Erhebung am 24. April 2003 verstrichen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Vortrag des Klägers, dass er seit weniger als einem Jahr vor der Erhebung des Widerspruchs die Alexanderstraße (auch mit ihrem nordwestlichen Teil) für den Weg zur Arbeit mit de Fahrrad nutze. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich das Gericht anschließt, setzt sich die Betroffenheit von einem Verkehrszeichen nicht voraus, dass es den Verkerhsteilnehmer regelmäßig und nachhaltig betrifft (so beispielsweise OVG Hamburg, Urteil vom 4. Nobember 2002, a.a.O. – insoweit aufgehoben durch BVerwG, Urteil vom 21. August 2003, a.a.O.).

Das Gericht ist unter Berücksichtigung aller Umstände der Überzeugung, dass der Kläger nach dem 1. Oktober 1998 und vor dem 23. April 2002 die Alexanderstraße in beiden Richtungen zwischen der Bürgerfelder Straße und der Westersteder Straße mit dem Fahrrad befahren hat. Hierfür besteht ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass daran kein vernünftiger Zweifel bestehen kann. Der Kläger ist nach seinen Angaben auf das Fahrrad als Fortbewegungmittel angewisen und benützt es auch ständig. Nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2007 benutzt er im Stadtgebiet Oldenburg nur das Fahrrad, da er kein Kraftfahrzeug hält und den öffentlichen Nahverkehr nicht nutzt. Die hier in Rede stehende Strecke der Alexanderstraße verläuft in 1,2 km bis 3,2 km Entfernung von der Wohnung des Klägers seit 15. Juni 2000. Das Gericht hält es schlechterdings für ausgeschlossen, dass der Kläger diese Teilstrecke der wichtigsten Ausfallstraße Oldenburgs Richtung Nord-Westen in der hier in Rede stehenden Zeit nicht befahren hat. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger sich nach sienen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 9. März 2007 nicht an eine solche Nutzung erinnern kann. Bei dieser Annahme vedächtigt das Gericht den Kläger nicht der bewussten Falschaussage. Es ist vielmehr der Auffassung, dass einem Menschen mittleren Alters, der ständig – wie der Kläger – das Fahrrad zur Fortbewegung nutzt, die eine oder andere befahrene Teilstrecke „entfallen“ kann. Das Gericht ist der Erwägung, weitere Umstände des Verhaltens des Klägers als Fahrradfahrer vor dem 23. April 2002 aufzuklären, nicht näher getreten. Es hat beispielsweise es auch nicht als erforderlich angesehen, der Behauptung des Klägers, er habe sein „gutes“ Fahrrad für die Strecke zur Arbeit nach Bad Zwischenahn erst im Mai 2002 erworben und seitdem die Strecke regelmäßig befahren, nachzugehen. Dies ist im Hinblick auf die richterliche Überzeugung, dass der Kläger auch schon früher und mit einem schlechteren Fahrrad zumindest einmal diese Strecke befahren hat, unerheblich, da hierfür ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein vernünftiger und die alltäglichen Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch hieran nicht zweifeln kann (Kopp/Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2005, § 108 Rz. 5, Rz. 16 vor § 40, jeweils m.w.N.). Bei dieser Würdigung des Sach- und Streitstandes hat das Gericht den Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2007 (bekräftigt und wiederholt mit dem Schriftsatz vom 10. März 2007), wonach er lediglich zielgerichtet Fahrrad fahre und er seinerzeit Ziele im Nordwesten Oldenburg nicht gehabt habe (keine Bekannten u.ä. in diesem Gebiet), zur Kenntnis genommen. Eine Würdigung aller übrigen Umstände des Einzelfalls zwingt aber gleichwohl zu der Annahme, dass der Kläger die hier in Rede stehenden Verkehrsschilder bereits vor dem 23. April 2002 Fahrrad fahrend passiert hatte. Das Gericht hält es indes auch nicht für ausgeschlossen, dass die gegenteiligen Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 9. März 2007 eine Schutzbehauptung war. Aufgrund frührerer verfahrensleitender Anfragen dürfte dem Kläger klar gewesen sein, dass das Gericht zu der Annahme neigt, sein Widerspruch vom 28. April 2003 sei verfristet, da ihm die fragliche Verkehrsreglung schon seit Jahren bekannt sei.

Etwas anderes dürfte sich hier auch nicht aus der (in ihrem Einzelheiten uneinheitlichen) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergeben, wonach aus Gründen der Prozessökonomie das förmliche Vorverfahren entbehrlich sei, wenn sich der Beklagte sich auf die Klage eingelassen und der Abweisung beantragt hat (s. u. a. BVerwG, Urteil vom 23. Okober 1980 – 2 A 4.78 –, DVBl. 1981, 502). In seiner neueren Rechtsprechung hat das Bundeswaltungsgerichts dies dahingehend präzisiert, dass dies vor allem die Fälle betrifft, in denen es überhaupt an einem Vorverfahren vor Klageerhebung fehlt. Dies ist hier aber nicht der Fall. Hier hat die Widerspruchsbehörde den Widerspruch des Klägers formal als unzulässig verworfen und nicht in der Sache entschieden. In einem solchen Fall hat das Verwaltungsgericht die Verspätung des Widerspruchs gegen den Bescheid der erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde zu beachten (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1988 – 6 C 24/87 –, NVwZ – RR 1989, 85). Etwas anderes könnte hier unter Umständen dann gelten, wenn die Widerspruchsbehörde zugleich auch beklagte Behörde um Verwaltungsprozess wäre und im gerichtlichen Verfahren sachlich auf die Klage erwidert hätte (s. hierzu BVerwG, Urteil vom 2. September 1983 – 7 C 97/81 – NVwZ 1984, 507). So ist der Fall hier aber gerade nicht gelagert. Die Bezirksregierung Weser-Ems ist am Verwaltungsprozess nicht beteiligt, mit der Folge, dass die hilfsweise Einlassung der Beklagten zur Sache in ihrem Schriftsatz vom 16. August 2004 den Mangel im Vorverfahren nicht „heilen“ kann.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Bezirksregierung Weser-Ems bei ihrem Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2004 mit rechtsirriger Begründung zu dem zutreffenden Ergebnis kommt. Maßgeblich ist allein, dass die Widerspruchsbehörde den Widerspruch zu Recht als verfristet und deshalb unzulässig zurück weist. Das Gericht ist an diese Feststellung gebunden, sofern sie im Ergebnis zurtrifft (s. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1988, a.a.O.).

Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Gericht die Erwägungen der Beklagten, warum aufgrund der besonderen Umstände an der Alexanderstraße im hier in Rede stehenden Teilstück die Verkehrszeichen Nr. 237, 240 oder 241 jeweils zwingend geboten sind (§ 45 Abs. 9 Satz 1 StVO), insbesondere im Hinblick auf die Belastung der Strecke mit Kraftfahrzeugverkehr teilt. Auch wenn das Gericht aus eigener Erfahrung Verständnis für einige der kritischen Einwände des Klägers, insbesondere zum Zustand der Radwege und ihrer engen Führung an Teilstücken an der Alexanderstraße hat, so wäre die Klage daher im Ergebnis auch als unbegründet zurückzuweisen.

Nach alledem war die Klage mit den Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 ZPO i.V. m. § 167 Abs. 2 VwGO.

Beim mündlichen Termin ging es erstmal 5 Minuten darum, das Richter Schrimpf nicht glaube könne, ich sei noch nie oder die letzten 20 Jahre das fragliche Stück gefahren.  Zu den Behördenvertretern meinte er dann, der Widerspruch wäre zurecht abgelehnt worden, aber aus dem falschen Grund, nämlich den Zeitpunkt der Aufstellung.  Danach kam er wieder mit den 20 Jahren… Er gestand also nur den anderen den neuen Beginn der Frist zu (1998).  Erst als ich darauf hinwies, das es nur um 3,5 Jahre ginge, ließ er davon ab.

Immerhin ist das eine richtig ausführliche Begründung.  In Deutschland beginnt die Frist mit der ersten tatsächlichen Betroffenheit zu laufen, in Oldenburg wenige Jahre nach Aufstellen des Schildes, weil man als Radfahrer zwangsläufig überall rum kommt.  Einfach gesagt: Wer einige Jahre hier wohnt, kann nur noch wegen neuer Schilder klagen.

Macht 423,50 € Streit plus 20 € Auslagen der Stadt.